16. Feb 2018

Heribert Schwan: „Die hasst mich“

Beitrag auf nwzonline.de von Christoph Driessen

In einem früheren Urteil war Helmut Kohl eine Million Euro Entschädigung zugesprochen worden. Die verlangt nun seine Witwe – hat aber schlechte Chancen.

KÖLN - Ganz in Schwarz steht die Witwe des Altkanzlers Helmut Kohl im Gerichtssaal. Während die Fotografen ihre Bilder machen, schaut Maike Kohl-Richter starr geradeaus. In der letzten Reihe sitzt währenddessen Kohls ehemaliger Ghostwriter Heribert Schwan. „Die hasst mich“, sagt er leise. Er sie auch? „Ich hasse sie überhaupt nicht. Ein armes Seelchen.“

Es geht los. Zu Beginn eine Frage der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Köln, Margarete Reske, an Schwan: „Wollen Sie sich nicht einen Stuhl nehmen und sich nach vorn setzen?“ Schwan antwortet: „Kann ich nicht hier hinten sitzen bleiben, um den Überblick zu behalten?“ Kann er. So ist sichergestellt, dass Kohl-Richter und er sich während der Verhandlung nicht in die Augen sehen müssen.

Reske sitzt hinter einem Berg von Akten. Das Verfahren läuft schon Jahre. Es geht um das Buch „Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle“, geschrieben von Schwan. Er hat dafür Tonbänder ausgewertet, auf denen er Gespräche mit Kohl für dessen Memoiren aufgenommen hat. Das „Vermächtnis“-Buch war mit Kohl allerdings nicht abgesprochen. Der Altkanzler verklagte ihn dafür und bekam eine Million Euro Entschädigung zugesprochen. Es war sein letzter Triumph – zwei Monate später war er tot. Seine Witwe will, dass das Geld nun an sie ausgezahlt wird.

Die Chancen dafür stehen aber schlecht. Richterin Reske weist auf Urteile des Bundesgerichtshofs hin: Demnach ist ein Entschädigungsanspruch nicht vererbbar. Schließlich gehe es darum, dem Geschädigten Genugtuung zu verschaffen, und das sei nur möglich, solange er noch lebe.

Kohl-Richters Anwälte betrachten den „Kanzler der Einheit“ jedoch nicht als gewöhnlichen Sterblichen, sondern als „absolute Person der Zeitgeschichte von herausragender Bedeutung“. Deshalb gälten für ihn andere Maßstäbe. Doch Reske muss sie enttäuschen. Direkt an Kohl-Richter gewandt, sagt sie: „Das sehen wir so nicht unbedingt.“ Es gebe kein Sonderrecht für historische Persönlichkeiten.

Maike Kohl-Richter presst die Hände gegeneinander, hin und wieder ruft sie halblaut dazwischen: „Falsch!“ Schließlich ergreift sie das Wort – obwohl sie ihrem Anwalt versprochen hat, sich zurückzuhalten, wie sie sagt. „Helmut Kohl war kein Wirtschaftsunternehmen, Helmut Kohl war ein Mensch“, erklärt sie mit bebender Stimme. Das „Gift von Herrn Schwan“ beschädige sein Bild in der Geschichte. „Es geht hier um ein Lebenswerk, es geht um das, was die Menschen von Helmut Kohl in Erinnerung haben.“ Reske regt eine außergerichtliche Einigung an: Der Verlag soll etwas zahlen und das Buch für immer einstampfen. Dafür soll Kohl-Richter einen Schlussstrich ziehen und eine Kopie der Gespräche mit Schwan dem Bundesarchiv in Koblenz oder der Konrad-Adenauer-Stiftung zugänglich machen. „Das wäre unsere Idee.“

Heribert Schwan lächelt, als er den Gerichtssaal verlässt. „Heute hat die Kammer ganz klar gesagt, dass die Chancen auf Kohle ganz gering sind. Und das freut mich sehr.“