08. Okt 2014

Kohl-Buch-Autoren erhalten Rückendeckung

HANDELSBLATT / 08.10.2014

600 Stunden lang befragte Heribert Schwan Helmut Kohl. Kritiker monieren, dass einige Zitate unautorisiert in einem neuen Kohl-Buch verwendet wurden. Der Journalistenverband stützt den Autor - teilweise jedenfalls.

Der Stein des Anstoßes: Das Umstrittenes Buch: "Vermächtnis - Die Kohl Protokolle".Der Stein des Anstoßes: Das Umstrittenes Buch: "Vermächtnis - Die Kohl Protokolle". Quelle: Reuters

Quelle: Reuters

Berlin
Nach Ansicht des Vorsitzenden des Deutschen Journalistenverbands (DJV), Michael Konken, ist die umstrittene Veröffentlichung von Gesprächen mit Altkanzler Helmut Kohl durch den zeitweiligen Ghostwriter Kohls, Heribert Schwan, unter gewissen Voraussetzungen mit dem Pressekodex vereinbar. „Für Journalisten, Schwan ist auch Journalist, gibt es kein generelles Verbot, verbotene Informationen zu verwenden, das zeigt das Beispiel Günter Wallraff“, sagte Konken dem Handelsblatt (Online-Ausgabe).
Es hänge immer vom Einzelfall ab.

Es gehe dabei um die Frage,  ob, wie es unter Ziffer 4.1 im Pressekodex steht, „Informationen von besonderem öffentlichen Interesse beschafft werden, die auf andere Weise nicht zugänglich sind“. „Ob das Ergebnis im vorliegenden Fall tatsächlich von besonderem öffentlichem Interesse ist, hängt von der Frage ab, ob dadurch wirklich wichtige neue Informationen über die Person Kohl zugänglich gemacht werden“, sagte Konken.

Klar sei aber auch, „dass, wer einmal gegen die Vertraulichkeit verstößt, in Zukunft wohl keine Informationen mehr bekommt“, gab der DJV-Chef zu bedenken. Gleichwohl hält er es für nachvollziehbar, dass Schwan seine Dokumente gerne veröffentlichen möchte, an die er in seiner Funktion als Ghostwriter gelangt sei. Konken sagte aber auch: „Nach meiner Kenntnis hat er allerdings in dieser Funktion mit Helmut Kohl vereinbart, dass dieser bestimmen kann, was wann und wie veröffentlicht wird.“

Schwan unterstrich am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung des Buches „Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle“, dass es keine Vereinbarung mit Kohl gegeben habe, Teile der Gespräche vertraulich zu behandeln. „Ich hätte niemals eine Schweigepflichterklärung unterzeichnet“, sagte er.

Historiker spricht von „groteskem Vertrauensbruch

Schwan wies ebenso wie Mitautor Tilman Jens den Vorwurf des Vertrauensbruchs zurück. Kohl war in den Jahren 2001 und 2002 von Schwan über 600 Stunden lang befragt worden. Zweck war die Veröffentlichung von Kohls Memoiren, von denen drei Bände erschienen sind. Danach wurde die Zusammenarbeit zwischen Kohl und seinem „Ghostwriter“ beendet. Die „Kohl-Protokolle“ sind seit Dienstag mit einer Startauflage von 100.000 Exemplaren im Buchhandel.

Der Berliner Historiker Henning Köhler nannte die Veröffentlichung der Kohl-Aussagen einen „grotesken Vertrauensbruch“. Was Kohl über langjährige Wegbegleiter zu Schwan gesagt habe, „stand gewiss unter dem Siegel der Verschwiegenheit und war doch nicht für die Nachwelt bestimmt“, sagte Köhler dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Der emeritierte Professor für Neuere Zeitgeschichte legt in Kürze eine eigene Kohl-Biografie vor. In den Gesprächen, die er dafür mit Kohl führte, habe er nie abschätzige Äußerungen über andere Politiker und Parteifreunde gehört, wie Schwan sie schildert. „Gehört hat sie ein Mann seines Vertrauens - in einer Situation, in der Kohl nicht im Entferntesten damit rechnen musste, dass diese Worte jemals veröffentlicht werden würden“, so Köhler.

Den Versuch, die Preisgabe protokollierter Gesprächsinhalte als Dienst an der Zeitgeschichte und einer möglichst umfassenden Information der Öffentlichkeit über Kohl zu rechtfertigen, hält Köhler für verlogen. „Die Grenzen dessen, was die Öffentlichkeit zu interessieren hat, werden in Deutschland durch Gerichte gesetzt. Ich bin, ehrlich gesagt, überrascht, dass noch kein Versuch unternommen wurde, gegen Schwans Buch juristisch vorzugehen“, sagte Köhler.

Kohl-Anwälte lassen Heyne-Verlag gewähren

Nach Angaben des Heyne-Verlags haben Kohls Anwälte bisher keine rechtlichen Schritte eingeleitet. Es gebe lediglich ein Schreiben, in dem die Anwälte erklärten, Schwan sei nicht berechtigt, über die Aufzeichnungen zu verfügen. Das sei rechtlich nicht relevant, sagte Justiziar Rainer Dresen.

Kohl rechnet in den Aufzeichnungen auch mit Parteifreunden ab. So klagt er in deutlichen Worten über CDU-Politiker wie die jetzige Kanzlerin Angela Merkel, seinen früheren Arbeitsminister Norbert Blüm oder den späteren Bundespräsidenten Christian Wulff. Zur Zeit der Gespräche war Kohl vor allem durch seine Verantwortung in der CDU-Spendenaffäre und durch die Selbsttötung seiner Ehefrau Hannelore belastet.

Im Sender RBB sagte Schwan über sein persönliches Verhältnis zu Kohl: „Es geht nicht gegen Helmut Kohl. Mein Feindbild, um es ganz klar zu sagen, und das gebe ich offen zu: Das ist die Frau an seiner Seite.“ Schwan wirft Maike Kohl-Richter vor, für das Ende der Zusammenarbeit zwischen ihm und dem Altkanzler verantwortlich zu sein. Sie strebe an, die „Deutungshoheit“ über Kohls Kanzlerschaft zu bekommen.