25. Okt 2021

Millionen-Klage: Witwe von Helmut Kohl könnte leer ausgehen

Beitrag in der Rheinpfalz von Ilja Alexander Tüchter

Der Bundesgerichtshof hat am späten Montagmorgen eineinhalb Stunden über den Rechtsstreit zwischen der Witwe von Altbundeskanzler Helmut Kohl und dessen früheren Memoirenschreiber verhandelt. Ein Urteil erging noch nicht. Der VI. Senat des BGH hat nun die am Montag gehaltenen Plädoyers der Prozessparteien zu prüfen. Es geht unter anderem um bis zu fünf Millionen Euro Schadenersatz, die Kohls zweite Ehefrau Maike Kohl-Richter erstreiten will.

Hintergrund der beiden Revisionsverfahren vor dem VI. Zivilsenat ist der Streit um ein 2014 erschienenes Buch, in dem der Journalist Heribert Schwan gegen Helmut Kohls Willen Zitate verwendete, welche er zuvor bei seiner Arbeit als Ghostwriter des Altkanzlers festgehalten hatte. Das Landgericht Köln hatte im April 2017 Schwan, einen Mitautor und deren Verlag deswegen zu einer Entschädigung von einer Million Euro verurteilt. Dies stellt eine Rekordsumme in der deutschen Rechtsprechung dar.

Schadenersatzanspruch nicht vererbbar

Nachdem Kohl im Juni 2017 gestorben ist, versucht seine Witwe und Alleinerbin Maike Kohl-Richter, mindestens dieses Geld zu erhalten, maximal aber die ursprünglich geforderten fünf Millionen Euro plus Zinsen. Zudem geht es um die Zulässigkeit von Textpassagen in besagtem Buch, die aus Kohl-Richters Sicht auch die postmortalen Persönlichkeitsrechte des Altkanzlers verletzen.

Der VI. Zivilsenat machte am Montag in der Verhandlung deutlich, dass das Ansinnen dem geltenden Recht widerspricht. Der Schadenersatzanspruch für eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts sei grundsätzlich nicht vererbbar. Eine Ausnahme wäre demnach nur denkbar, wenn es Kohl-Richter und ihren Anwälten gelänge, überzeugend zu erklären, warum die bisherige Rechtsprechung falsch sei.

Kohls derbe Aussagen über politische Weggefährten

Kohl-Richters Anwalt Matthias Siegmann argumentierte, es sei keine Frage von falsch oder richtig, sondern es gehe um die Frage, ob es nicht Rechtsgrundlagen gebe, die sehr wohl einen Anspruch der Kohl-Witwe wie auch des Verstorbenen selbst begründeten. Der Jurist hob vor allem auf den Umstand ab, dass die Beklagten zu Kohls Tod im Zahlungsverzug gewesen seien.

Der Justiziar der Verlagsgruppe Random House, Rainer Dresen, wertete die Einlassung des Gerichts als klaren Erfolg für die Beklagten. Nicht nur sei die Frage der Schadenersatzzahlung quasi vom Tisch. Auch im Streit um die Nutzung von 116 Zitatpassagen in Schwans Buch sieht Dresen Kohl-Richter im Hintertreffen. In den Textstellen geht es um derbe Aussagen des Altkanzlers über politische Weggefährten wie Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler oder auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der BGH-Senat ließ durchblicken, dass die besagten Passagen möglicherweise nochmal von der Vorinstanz neu zu beurteilen sein könnten. Ansonsten sei die zentrale Frage, wie viele „Fehlzitate“ wirklich vorlägen und wie schwer sie im einzelnen die Persönlichkeitsrechte Kohls tangierten.